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Somalia: Nurrudin Farah – Ein somalischer Autor auf Spurensuche in seiner Heimat

 
Meldung vom 26.11.2015

Wer den Herzschlag Afrikas hören will, der sollte seine Romane lesen: Der somalische Schriftsteller Nuruddin Farah feiert seinen 70. Geburtstag. Den riesigen Kontinent zu verstehen, das ist eine Aufgabe, die man als Europäer nicht lösen kann. Man kann sich der großen Herausforderung allenfalls nähern, und dafür bietet der Buchmarkt jede Menge Sachbücher, die einem wahlweise vermitteln, warum Afrika der Kontinent der großen Zukunftsvisionen oder aber zu ewigem Chaos und Finsternis verdammt ist.

Hilfreicher und spannender ist es mitunter, sich in die Romanwelt von Nuruddin Farah zu begeben. Farah beschreibt zum Beispiel die Überreste des Kalten Krieges in Afrika nicht mit ökonomischen oder soziologischen Studien, sondern so: „Die zwei großen fetten Katzen waren weg, jetzt begann die Stunde der Ratten.“

Wenn Nuruddin Farah den Ruf als wichtigster Schriftsteller Afrikas hat, dann liegt das vor allem daran, wie unermüdlich er die gekrümmten und kurvenreichen Lebensläufe in seinem Heimatland Somalia unter die Lupe nimmt, ihre Entwicklungen in den Spannungsfeldern von Tradition, Familie, Clan, Religion und Gewalt vorführt. Das Thema Tyrannei zieht sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Werk; in entlarvender Lakonie geht er nicht nur dem nach, was fette Katzen und Ratten ganzen Staaten antun, sondern vor allem beobachtet er die alltäglichen Vorkommnisse von Tyrannei im Kleinen, in einer Gesellschaft, in der so ziemlich jeder, wie er betont, „ein kleiner Diktator“ ist.

In seinem ersten Roman,
„Aus einer gekrümmten Rippe“, nahm Nuruddin Farah Ende der Sechzigerjahre die Sichtweise eines Nomadenmädchens ein, das vor seiner Familie Reißaus nimmt, um der drohenden Zwangsheirat zu entkommen, und das auf seinen Wegen auf immer neue Variationen von männlicher Gewalt und Unterdrückung stößt. Wohlmeinende Kritiker bezeichnen Farah seither als einen „Feministen“; er selbst lässt diesen Titel stehen, ohne dazu Stellung zu beziehen.

Wer dafür offen ist, die Gesellschaft am Horn von Afrika zumindest an sich heran zu lassen, der findet in Nuruddin Farah einen kundigen, treffsicheren Reiseleiter durch ein schwer durchdringbares Gestrüpp – er gehört allerdings nicht zu denjenigen, die dabei mit der Machete um sich hauen, um einen gangbaren Weg freizuschlagen. Stattdessen schleicht Farah unbewaffnet und auf Zehenspitzen voran, meidet Abkürzungen, verfolgt die Romanfiguren durch Irrungen und Wirrungen. Es ist ein schweißtreibender Marathon, man wird mit einer verstörenden Vielzahl von Figuren konfrontiert, das Ziel verschwimmt immer wieder vor den Augen und man bekommt Zweifel, ob es überhaupt eines gibt – allzu viel zu lachen darf man auch nicht erwarten.

Afrika ist vielschichtig, Somalia ist nach afrikanischen Maßstäben besonders unübersichtlich, und Nuruddin Farah wird dieser Komplexität dadurch gerecht, dass er sich standhaft gegen die Versuchung zur Vereinfachung oder Extremisierung wehrt – etwa im Sinne einer Insider-Islamkritik. Stattdessen liefert er dem Leser Widersprüche und Spannungsfelder, die er nicht auflöst. Wer beispielsweise einen Einblick in die Lebensläufe junger Dschihadisten erhalten möchte, der findet Erkenntnisse, die über Afrika hinausweisen, in „Gekapert“ (2013), dem bis dato letzten auf Deutsch erschienenen Roman von Nuruddin Farah.

Seit er 1974 wegen des Regimes des damaligen Diktators Siad Barre ins Exil ging, lebt Nuruddin Farah in Südafrika. Seit 1999 verfolgt er vom vergleichsweise friedlichen Kapstadt aus weiter sehr genau die kleinen und großen Bewegungen in seiner Heimat. „Wenn meine Liebste ins Koma fällt, sehe ich nicht weg“, so hat er seine Beziehung zu Somalia einmal in Worte gefasst: „Ich sitze neben ihr, halte ihre Hand und spreche mit ihr.“ An diesem Mittwoch (26.11.2015) wurde Nuruddin Farah siebzig Jahre alt. Sein nächster Roman, der derzeit in seinem Kopf reift, soll das Leben somalischer Auswanderer in einem zunehmend ablehnenden Europa thematisieren.


Video-Beiträge zu diesem Thema

 Video: Nuruddin Farah




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Süddeutsche Zeitung“, sueddeutsche.de

Schlagwörter: Somalia, Nurrudin Farah, Autor, Schriftsteller, Heimat, Horn von Afrika, Geburtstag, Afrika, Kontinent, 70. Geburtstag, Bücher, Literatur, Romane, Gesellschaft, Nomadenmädchen, Frauen, Gesellschaftskritik, Exil, Kapstadt, Südafrika, Entwicklung, Aus einer gekrümmten Rippe, Gekapert, Islam, Tyrannei, Dschihadisten